!!!PARENTAL ADVISORY!!!
Der Autor des folgenden Textes möchte aus Gründen der political correctness darauf verweisen, dass jener Text auf subjektiven Wahrnehmungen beruht und keinerlei Anspruch auf Objektivität erhebt. Sollten in diesem Text Stereotype auftauchen so dienen diese einzig der Plakativität und der Verbildlichung des beschriebenen Inhaltes und sind keinesfalls diskriminierend oder herabwürdigend zu verstehen. Ebenfalls möge man es dem Autor nachsehen, zuweilen aus Gründen des Erzählflusses auf Gendering verzichtet zu haben. Das Lesen dieses Textes geschieht auf eigene Verantwortung und umfassende orthographische und grammatikalische Korrektheit wird nicht garantiert. Für Verwirrungen bezüglich der deutschen Sprache seitens des Lesers sind beim Autor keinerlei Schadensersatzansprüche geltend zu machen.
!!!PARENTAL ADVISORY!!!
Nach exakt vier Monaten bin ich nun mal wieder umgezogen, liege gerade in meiner Hängematte, Regen plätschert auf das Wellpappdach und ich fühl mich vielleicht zum ersten Mal seit meiner Ankunft wirklich richtig wohl. Der Umzug hatte sich schon eine ganze Weile angekündigt, da ich mit der Wohnsituation im Hochhaus von Beginn an nicht ganz zufrieden war. Mir stand der Sinn eher nach einer einfachen Behausung in der Nähe vom Meer und genau dies hab ich nun gefunden. Es ist eigentlich ganz amüsant, seit ich das erste Mal in Boquilla, einem Viertel direkt am Meer war, hat mich dieser Ort fasziniert. Die Menschen sind hier nicht so distanziert wie in anderen Stadtvierteln, auf der Straße sieht man rund um die Uhr Leute die Karten oder Domino spielen, Musik dröhnt aus überdimensionalen Boxen, man lacht, man kennt sich. Der Strand ist zwar nicht der sauberste aber hey… es ist ein Strand, in der Karibik… also wird sich erst einmal nicht beschwert! Jedenfalls hab ich immer wieder zu Freunden und Kollegen gesagt, dass es mir schon gefallen könnte in Boquilla zu wohnen, einfach eine kleine Hütte am Meer, ohne großen Schnickschnack. Allerdings hab ich dies immer mehr als kleine Spinnerei abgetan, wahrscheinlich sogar mehr als die Leute, denen ich davon erzählte. Und nun wohn ich tatsächlich hier.
Wie es schließlich dazu kam, dass ich jetzt hier bin ist einer Verkettung mehr oder weniger glücklicher Umstände zu verdanken. Wie bereits gesagt, der Umzugswunsch bestand schon lange und irgendwann wurde dieser dann so groß, dass ich mich aus meiner Passivität riss und mich aktiv darum bemühte. Zunächst hatte ich ein paar Leute kennengelernt, die ebenfalls auf der Suche nach einer neuen Bleibe waren. Die beiden, ein Pärchen, waren oder vielmehr sind Teil der vielleicht einzigen Rockmusikzelle in Cartagena. Hier hören ja die meisten Leute nur Vallenato und Champeta, beides Musikrichtungen die mich wiederum überhaupt nicht begeistern und oftmals hat man auch das Gefühl, dass es da nur eine CD gibt. Jedenfalls hört man immer die gleichen sechs Lieder und davon ist eines schnulziger als das andere. Das Hauptinstrument ist bei beiden das Akkordeon, dazu wird ein bisschen getrommelt und ein Text geschmettert, der in Sachen Schmalzigkeit mit deutscher Schlagermusik mühelos mithalten kann. (Sorry liebe Schlagerfans unter meinen Lesern… ist ja kein Geheimnis, dass mir eure Musik nicht gefällt). Bei Champeta kommt dazu dann noch ein brachial lauter Bass… Jetzt hab ich doch glatt den Faden verloren, wo war ich…? Ach ja, das Pärchen.
Sie hatten mir angeboten mit ihnen zusammenzuziehen und mir kam die Gelegenheit gerade recht. Eine Wohnung hatten Sie auch schon ausgesucht und nach einer Besichtigung dieser stimmte ich dem Umzug zu.
An dieser Stelle muss ich einen weiteren Exkurs einbauen, denn nun begann meine kleine Pechsträhne. Alles fing damit an, dass mir neuerdings bereits an dem Tag der Kopf zu jucken begann, an dem ich mir die Haare gewaschen habe und nicht erst eine Woche später wie dies normalerweise in Deutschland der Fall war, wo ich aus Frostschutzgründen nicht täglich Haare gewaschen habe. Für eventuelle Leser die nicht wissen wie ich aussehe, ich habe, oder vielmehr hatte den Kopf voller Dreads an denen ich mich ganze 6 Jahre wirklich erfreut habe. Auf jeden Fall, hegte ich recht schnell den Verdacht, dass mich die Kinder auf meiner Arbeit nun doch mit den teuflischen Haardämonen, der Geisel der sieben Meere, bedacht hatten. Und so fasste ich eines Abends den Beschluss dem ganzen ein Ende zu bereiten, ging zu meiner besten Freundin und deren Mutter hatte dann die Ehre mir mit der Schere zu Leibe zu rücken. Ich hatte noch um Vollnarkose während der Amputation gebeten doch dies blieb mir leider verwehrt… es gab einfach keinen Alkohol im Haus, der stark genug gewesen wäre. Ich war also bei vollem Bewusstsein als die Dreads fielen und auch wenn ich das ein oder andere Mal der Ohnmacht nahe war und mein Herz schmerzte, blieb ich stark und überstand die Prozedur mit lediglich dem Verlust einiger Tropfen Tränenflüssigkeit. Drei Dreads hab ich vor der Schere retten können, … drei Dreads.. !!! Während der Operation musste ich mir gleich drei Mal die Geschichte von Samson anhören. Für Bibelunkundige wie mich, … ach nee, hier geh ich jetzt nicht auch noch ins Detail. Nur so viel, Samson hatte lange Haare und eine Menge Power. Dann haben sie ihm die Haare geschnitten und futsch waren die Superkräfte. Wer mehr wissen will der lese die Bibel… oder den entsprechenden Wikipedia-Eintrag. Einige Tage später fand ich dann den Samson-Vergleich gar nicht mehr so unpassend. Am nächsten Tag stellte sich nämlich heraus, dass ich wirklich Läuse hatte.
Und hier komme ich nun zur eigentlichen Geschichte zurück. Zwei Wochen nach der Wohnungsbesichtigung, 5 Tage nach der Amputation, am ersten Dezember sollte der Umzug stattfinden. Ich hatte mir die Erlaubnis vom ICYE-Büro in Bogota eingeholt und hatte an diesem Morgen alle meine Sachen fertig zum Umzug gepackt. Unglücklicherweise hatte ein Unwetter einige Tage zuvor (zwei Tage nach der Amputation) den Router in meiner damaligen Wohnung gegrillt und so konnte ich erst ein paar Stunden später auf Arbeit die Email meiner Mitbewohnerin in Spe lesen, dass der Vermieter der Wohnung einen Abend zuvor angerufen hatte und bekannt gab, dass die Wohnung nicht mehr zu haben sei. Zwei Tage später verbummelt meine Arbeitskollegin meinen Handy-Akku und einen weiteren Tag drauf, verliere ich in der Stadt meine Fotokamera, wobei ich mir nicht sicher bin, ob sie mir nicht vielleicht doch geklaut wurde. Jedenfalls war ich an diesen Tagen nicht sonderlich gut drauf und fühlte mich wirklich von allen guten Geistern verlassen.
Die Wohnungssuche ging also wieder von vorn los. Letzte Woche Mittwoch, es war mal wieder Feiertag, hatte ich mich mit einer Kollegin, die mir bei der Suche helfen wollte, verabredet. Sie hatte bereits ein wenig Recherchiert und zeigte mir ein kleines Zimmer mit Bad und Gemeinschaftsküche.
Währenddessen hatte ich auch meine gute Freundin Yesenia gefragt, ob sie nicht mit mir zusammenziehen wöllte, sie sagte mir doch dann an jenem Mittwoch, dass sie das zwar gerne täte aber derzeit nicht das Geld dafür hätte. Also entschied ich mich am Donnerstag allein in das besagte Zimmer zu ziehen, dass zudem äußerst günstig war und man aufs Dach gehen konnte. Ich sagte der Vermieterin zu, am folgenden Sonntag (vorgestern) einzuziehen. Nun kommen wir langsam zum dramatischen Höhepunkt der Odyssee. Freitagvormittag ruft mich Yesenia an um mir mittzuteilen, dass sie nun irgendwie Geld aufgetrieben hatte und nun doch gerne mit mir zusammenziehen wollte. Nun stand ich da und wusste nicht so wirklich wie ich mich entscheiden sollte. Das Appartement in das wir zu zweit ziehen könnten hatte aus ökonomischer Sicht einige gravierende Nachteile. Ich entschied mich, eine Nacht darüber zu schlafen und am Samstag eine Entscheidung zu treffen, tendierte jedoch mittlerweile bereits dahin, meiner Freundin zu sagen, dass ich nicht mit ihr zusammenziehen kann, weil ich es mir schlicht nicht leisten könne.
Samstagmorgen, mal wieder Theaterkurs in der Boquilla, bestes Wetter, gute Laune, ich verlasse den Arbeitsplatz und schlendere noch ein wenig durch die staubigen Straßen als mir ein „Zimmer zu vermieten“-Schild (auf Spanisch selbstverständlich) auffällt. An diesem bin ich noch vorbeigegangen, jedoch hat mich das Schild auf die entscheidende Idee gebracht, einfach mal ein paar Leute auf der Straße zu fragen, ob sie nicht vielleicht jemanden kennen würden, der oder die in der Nähe ein Zimmer oder ein kleines Appartement zu günstigen Konditionen vermieten würde. Die dritte Person die ich anspreche überlegt kurz und fordert mich dann auf, ihm zu folgen. Wir kommen zu einem kleinen Haus, vielleicht 60 Meter vom Meer entfernt und die Bewohnerin dieses Hauses führt mich zu einem kleinen Raum auf der Rückseite des Hauses mit eigenem Eingang. Auf den ersten Blick dachte ich eher, dass ich hier nicht wohnen möchte. Das Zimmer schien ziemlich dunkel, die Tür war ein wenig Kaputt, naja, was soll ich sagen, ich war einfach von den Besichtigungen zuvor anderes gewöhnt und glaubte wohl noch immer nicht wirklich daran, dass ich in dieses Viertel ziehen würde. Nach einer kleinen Unterhaltung mit der Vermieterin verblieb ich mit ihr so, dass sie mir ihre Nummer gab und ich mich noch am selben Tag melden würde. Auf der anderthalb-stündigen Rückfahrt zu meiner alten Wohnung dachte ich dann wirklich intensiv nach, ob ich es vielleicht einfach wagen sollte. Wie gesagt, das Viertel hat mir von Anfang an sehr gut gefallen und ich wollt schon immer mal direkt am Meer wohnen. Und so fand ich nach und nach immer mehr Gefallen an der Idee.
Jetzt hatte ich aber das Problem, dass ich, anstatt eine Wohnungsoption zu eliminieren, eine weitere hinzugefügt hatte. Ich fragte also Yesenia nach ihrer Meinung zu dem ganzen und sie meinte, aus Rücksicht auf meine finanzielle Situation hätte sie nun doch wieder entschieden, nicht mit mir zusammenzuziehen. Klingt jetzt komisch, erst „Nee“ dann „Doch“ und nun wieder „Nö“, aber mir kam diese Entscheidung ganz recht und als ich da so auf dem Sofa saß, nahm ich mir ein Herz und entschied mich für das Abenteuer „Wohnen am Meer“. Ich rief umgehen die Vermieterin an um ihr zuzusagen am nächsten Tag umzuziehen und sagte der anderen Vermieterin, der ich eigentlich schon zugesagt hatte, wieder ab. Ich war ganz schön Nervös und alles andere als sicher, die richtige Entscheidung getroffen zu haben. Schließlich ist Boquilla gut anderthalb Stunden von meiner Arbeit entfernt, jedenfalls bis diese im März ebenfalls umzieht, und außerdem ist das Leben hier am Meer schon um einiges einfacher (nicht das „leichter“ – einfacher) als dort, wo ich bisher wohnte. Aber genau das war es ja, was ich eigentlich wollte.
Gestern bin ich nun also umgezogen, wurde gleich vom Sohn der Vermieterin mit auf ein Konzert geschleppt und war umso mehr vom bunten Treiben auf den Straßen begeistert. Ich hab das Gefühl, nach vier Monaten in Kolumbien und davon drei Monaten in Cartagena, endlich in der Karibik angekommen zu sein. Heut hab ich mich nun ein bissl eingerichtet und dachte mir, ich nutze den Augenblick der Muße um einen seit langem überfälligen Bericht für meinen Blog zu schreiben (sorry dafür, aber wie beschreiben herrschte so ein bisschen Chaos bei mir).
Und damit endet die Story von meinem Umzug. Ich könnte euch nun noch das ein oder andere von meinem Alltag erzählen, euch von den Wanderhändlern berichten die jeden Morgen zur selben Zeit vor meiner alten Wohnung aufkreuzten und lauthals in die Morgenluft Dinge schrien die wie „Ey was willstn du da!“ oder „Jetz bin ich wieder da also gebt mir euren Käse“ klangen (was natürlich Blödsinn ist, aber ich hab auch beim 50ten Mal nicht verstanden was sie wirklich riefen), belasse es aber nach dieser langen Geschichte über den Umzug dabei, euch noch von dem wichtigsten Bauteil eines kolumbianischen Autos zu erzählen und lasse an dieser Stelle nochmal ausdrücklich die „Vorsicht Satire“-Lampe blinken.
Ein Auto in Deutschland hat, glaub ich wenigstens, kein wichtigstes Teil oder aber zumindest kein unwichtiges Teil. Das Auto an sich ist für den gemeinen Deutschen (und diese können schon sehr gemein sein ;-) ) ein Heiligtum. Hier in Kolumbien sieht man das ein wenig lockerer. Das wichtigste Bauteil hier ist, nicht wie man vermuten könnte das Soundsystem damit man möglichst laut schlechte Vallenato-Musik hören kann. Das wichtigste Teil ist auch nicht der Motor oder die Karosserie, die Lichtmaschine oder das Armaturenbrett und schon gar nicht die nicht-vorhandene Sicherheitsausstattung oder die noch original eingeschweißten weil noch nie benutzten Sicherheitsgurte, nein, das wichtigste Bauteil ist die Hupe. Der kolumbianische Autofahrer hat es, im Gegensatz zu seiner ansonsten tendenzielle schon fast auffälligen A****ruhe, immer eilig und dass obwohl es ihm eigentlich total egal ist ob er eine oder zwei Stunden zu spät zu seinem Termin kommt. Aus diesem Grund gleicht der Aufenthalt an einer Straße in Kolumbien dem in einem Südafrikanischen Fußballstadion zur Weltmeisterschaft und sorgt auf kurz oder lang mit Sicherheit zu Gehörgang-Krebs. Die Autos stehen an der Ampel und warten auf Grün, die Ampel schaltet von Rot auf besagtes aber bevor die Autos in der vordersten Reihe den Gang eingelegt haben, erschallt aus allen Richtung ein Hupkonzert das sich gewaschen hat. Das die Fahrer der ersten Reihe noch keinen Gang eingelegt haben ist andererseits wenig verwunderlich, betätigen doch auch sie zunächst noch ein paarmal die … na? … Richtig! HUPE.
Es ist auch völlig egal ob das Auto überhaupt Fahrtüchtig ist. Solange die Hupe funktioniert, ist alles in Butter. Meine Arbeitsstelle liegt direkt neben einer Autowerkstatt und so wurde ich nun schon ein paarmal Zeuge, wie gut vier Männer um ein kaputtes Auto stehen, während einer im Auto sitzt und voller Enthusiasmus die Funktionstüchtigkeit der Hupe testet…. 5 Minuten lang. Also, wenn der oder die ein oder andere von euch mal hierherkommen sollte, bringt euch eine Vuvuzuela mit, damit seid ihr hier bestimmt der King of the Street!
So, dass war es jetzt aber wirklich. Ich hoffe ich hab euch nicht zu sehr gelangweilt und vielleicht habt ihr manchmal auch ein wenig schmunzeln können. Mir jedenfalls hat es heut mal wieder Spaß gemacht etwas zu schreiben. Sorry dass es diesmal keine Fotos gibt, aber wie gesagt, meine Kamera ist weg und ich muss mir erst eine neue organisieren. Übermorgen geht’s in den ersten Urlaub an die Pazifikküste und danach ist Weihnachten. Ich hoffe euch geht es allen gut, dass ihr alle ein wunderschönes Weihnachtsfest haben werdet und danach gut ins Neue Jahr rutscht. Ich melde mich dann 2011 mit neuen Geschichten, Kuriositäten und anderem Getier (meines bin ich übrigens wieder los).
Adios! Besos!
P.S. Mit Namen versehene Kommentare sind wie immer sehr willkommen J
ohhhhhhhhhhh nein die schönen dreads :((
AntwortenLöschennaja falls du sehnsucht hast ich habe deine alten angeschnitten noch hier liegen die kann ich dir schicken da kannst du dir wieder welche dran nähen...mir sind sie leider zu dick...viel spaß noch lg tilly
haha...hupen sind echt ein globales phänomen! in zambia haargenau das selbe...ein auto ist immer noch einsatzbereit, so lang die hupe funktioniert. stell mal bei gelegenheit ein paar bilder von deiner neuen bleibe und dem strand rein!!! und schön weiter bloggen, meister!
AntwortenLöschenbeste grüße aus dem tiefverschneiten leipzug von der fernweh-geplagten janice
Hey, Glatze, will nich' wissen, wie Du jetze aussiehst. Vielleicht ganz gut, dass die Kamera weg ist. Denke übrigens dran, Ungeziefer kann sich in ALLEN behaarten Körperregionen einnisten, da is' unter Umständen noch die eine oder andere Amputation fällig. Deine PC-Vorrede mit dem Gender-Kram kannste Dir eigentlich sparen. Ich sach auch manchmal "Frau" und mein's nicht böse, und so krass is' der Text ja nu auch wieder nich'. Lass es Dir gut gehn, alter Karibik-Pirat.
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