Sonntag, 23. Januar 2011

Jahreswechsel in Kolumbien – ein einziges Auf und Ab

Nachdem ich beim schreiben meines letzten Blogeintrages beinahe euphorischer Stimmung war, wird der nun folgende deutlich nüchterner ausfallen. Bisher hab ich es immer vermieden einen Beitrag zu schreiben, wenn es mir nicht so gut geht, diesmal jedoch ist die Situation komplexer und ich glaube nicht, dass ich so schnell zur Unbeschwertheit vergangener Monate zurückkehren werde und deshalb hab ich mich entschieden dennoch zu schreiben. Es ist einiges geschehen und das neue Jahr hielt für mich gleich einige weniger schöne Überraschungen bereit. Um jedoch der Chronologie genüge zu tun, möchte ich zunächst von meinem Kurzurlaub am Pazifik berichten.

Bereits seit längerem bestand der Plan, dass ich mich mit Josephine, Joelle und Verena, drei deutsche Freiwillige die in Bogota ihren Dienst leisten, am Pazifik zu treffen und dort ein paar Tage Urlaub zu machen. Eigentlich wollte mich eine Freundin aus Cartagena begleiten und wir wollten mit LKW´s trampen, jedoch sagte mir diese ein Abend zuvor ab (was in anbetracht des bisher erlebten nicht wirklich eine große Überraschung war). Alleine in Kolumbien zu trampen war mir dann doch ein bißchen zu riskant also entschied ich mich nun doch mit dem Bus zu fahren. Nach 28 Stunden, in denen ich zum Teil wahnsinnig schöne Landschaft zu sehen bekam, kam ich dann auch schließlich in Cali an wo ich eine Nacht bei einem Couchsufer verbracht habe. Am Morgen kamen dann auch die drei aus Bogota an und hatten noch Diego, den Gastbruder von Joelle mit dabei. Nach einem kurzen Frühstück gings weiter nach Buenaventura. Ein unglaublicher Ritt... Die Straße, wenn man diese überhaupt eine solche nennen darf, war von den Regengüssen der vorangegangenen Wochen total hinüber und die vier Stunden fahrt gerieten jeden Kilometer mehr zur Tortur. Endlich angekommen stellten wir fest, dass Buenaventura sich deutlich von den Städten unterschied in denen wir uns bisher aufgehalten hatten. Keine gepflegte historische Altstadt, keine Touristen, viel Industrie, viel Dreck. Das Wort, welches mir zu dieser Stadt einfiel war „ungeschminkt“, was nicht heißen soll, dass die Stadt hässlich ist.

Nun wollten wir uns eh nicht groß in Buenaventura aufhalten und steuerten deshalb auch direkt den Hafen an, wo wir eine Überfahrt nach Juanchaco, einer kleinen Insel buchten und bald darauf ein kleines Passagierboot bestiegen. Wir waren ziemlich überrascht als sich jenes Boot dann in Bewegung setzte und dabei ganz ordentlich an Geschwindigkeit gewann. Die Überfahrt war am Anfang ziemlich lustig, wir rasten nur so über die See, doch schon bald entwickelte sie sich in der Art, dass sie die vorherige Busfahrt wie eine gemütliche Butterfahrt hat erscheinen lassen. Das Meer war an diesem Tag scheinbar besonders wütend und schleuderte uns immer wieder mehrere Meter hohe Wellen entgegen was in Kombination mit unserer Reisegeschwindigkeit dazu führte, dass das Boot ganz ordentliche Sätze machte und danach mit einem gewaltigen Schlag wieder auf die Meeresoberfläche zu knallen. Meine Gefährten sahen deshalb auch schon bald recht grün um die Nase aus während ich versuchte das ganze mit ein wenig Humor zu nehmen, was mir irgendwann jedoch auch immer schwerer fiel. Nach einer knappen Stunde betraten wir dann mit zittrigen Beinen den Landesteg und machten uns auf die Suche nach einer Übernachtungsmöglichkeit. Aufgrund der fortgeschrittenen Stunde gelangten wir an diesem Abend nicht bis zu dem von uns auserkorenen Ziel, La Barra, einem etwas abgelegenen Stranddorf zu welchem man nur zu Fuss über einen schlammgigen Waldweg oder am bei Ebbe am Strand gelangt, weshalb wir uns in Ladrilleros in eine kleine Pension einmieteten und uns nach den erlebten Schüttelpartien erstmal ein wenig Ruhe gönnten. Als wir uns dann am nächsten Morgen am Strand Richtung La Barra aufmachten, war das Meer bereits wieder am Steigen und so gelangten wir nicht trockenen Fußes ans Ziel und mussten uns ziemlich beeilen um nicht ganz von der Flut geschluckt zu werden. Schließlich erreichten wir unser Ziel und mieteten uns zwei kleine Bretterverschläge in denen wir die Zelte aufschlugen und ich meine Hängematte aufhing. Nach meiner Erfahrung am Playa Blanca, dass ein Zelt am Sandstrand früher oder später den selben Bedarf an einem Staubsaugers hat wie eben dieser Strand und dass dann ein angenehmes Schlafen nicht mehr möglich ist, hatte ich beschlossen die Nächte in meiner Hängematte zu verbringen. Zum Aufenthalt selbst gibt es eigentlich gar nicht sooo viel zu Erzählen. Essen gabs in einem kleinen Strandrestaurant, wir waren viel im Meer baden, haben ordentlich Sonne getankt und die Abende am Lagerfeuer verbracht. Am letzten Tag machten wir dann noch eine kleine Kanutour einen Fluß hinauf, hin zu einem Bachlauf. Auf beiden Seiten des Flusses reichten die Mangrovenwälder bis ans Wasser heran was zum Teil wirklich bizarr aussah. Entlang des besagten Bachlaufes stapften wir dann Barfuß durchs Unterholz hin zu einem kleinen Wasserfall samt dazugehörigen Becken an welchem wir dann eine Zeitlang blieben und badeten.

In strömenden Regen paddelten wir anschließend zurück zum Strand, was allerdings aufgrund der dort üblichen Temperaturen nicht weiter schlimm war. Und so ging dann unser Urlaub auch schon dem Ende entgegen. Diego, Phine und ich (die anderen beiden blieben noch länger und wollten Heiligabend am Strand verbringen) machten uns am nächsten Morgen, erneut bei strömenden Regen auf den Weg zurück zur Fähre, wo wir jedoch zwei Stunden warten mussten und das Wetter sich in dieser Zeit zum guten wandelte. Die Rückfahrt mit der dem Schnellboot gestaltete sich diesmala auch um einiges entspannter was uns erlaubte die wahnsinnige Schönheit der Landschaft zu genießen. Wir rasten vorbei an kleinen Inseln mit üppigem Bewuchs und zwanzig Meter hohen Steilufern und ich dachte so bei mir, dass die Pazifikküste viel mehr dem ähnelt, was ich mir eigentlich unter der Karibikküste vorgestellt hatte, welche jedoch ganz verschieden von meinen Erwartungen ist. (einen weiteren schönen Beitrag zu unsrem Pazifik-Trip inklusive einiger Bilder findet ihr auf dem Blog von Josephine. Hier ist der LINK) Damit hörte der Spass für mich jedoch auch auf. Die Busfahrt zurück nach Cartagena glich mal wieder einer Odyssee und als ich nach fünfzig Stunden endlich ankam, konnte ich vor Müdigkeit kaum noch stehen und so fiel ich in einen tiefen Schlaf.

Und so neigte sich das Jahr 2010 langsam dem Ende zu. Heiligabend verbrachte ich bei Yesenia in der Familie, wo ich eingeladen war, Weihnachtsstimmung wollte bei mir jedoch bei mir aus verschiedenen Gründen nicht so richtig aufkommen. Am 25. Früh am Morgen auf der Straße wollten mir dann so zwei Halbstarke meinen Laptop klauen, nachdem ich aber lautstark protestierte gaben sich die beiden mit einer Limonade und etwas zu Essen zufrieden und schlichen sich davon. Ich dachte nur so: „Na dann Fröhliche Weihnachten“.

Silvester war auch weniger spektakulär. Anna und Pheobe, zwei weitere Freiwillige, waren in der Stadt zu Besuch und mit ihnen und einer Flasche Rum verbrachte ich dann de Jahreswechsel auf der Stadtmauer mit Blick aufs Meer.

Am ersten des Jahres nahmen dann die Dinge ihren weniger schönen Lauf. Zunächst erwachte ich mit einem gehörigen Brummschädel, welchem der Begriff Kater wohl geschmeichelt hätte und daher von mir auch eher mit dem Begriff Wildkatze bedacht wurde. Jenes Rauptier beschloss ich sodann im Meer zu ertränken und ging schwimmen. „Gar nicht der schlechteste Start in ein neues Jahr...“, dacht ich mir. Zu diesem wurde es dann jedoch spätestens in der Nacht zum zweiten Januar. Nachdem Silvester so unspäktakulär war, wollte ich wenigestens Neujahr ordentlich Spass haben und begab mich in eine der kleinen süßen Discos in meinem Viertel. Als ich dann später zufrieden vor meiner Haustür stand traff mich fast der Schlag. Ich fand mein Fenster eingeschlagen und geöffnet und meinen Laptop inklusive allen Zubehör nicht mehr. Dummerweise befand sich in der Laptop-Tasche ebenfalls meine Kreditkarte und ein bisschen Bargeld. Ich konnt es in diesem Moment gar nicht richtig fassen. Hatte ich nicht eine Woche zuvor erst eben jenes Gerät vor dem Raub verteidigt? Ziemlich niedergeschlagen verkroch ich mich unter mein Mückennetz und schlief irgendwann ein. Nun stand ich da, ohne Rechner, ohne Musik, Fotos, Arbeitsdokumente, Filme, das Konto gesperrt, der einzigen Kommunikationsmöglichkeit nach Deutschland beraubt, ohne Geld. Wie konnte mir das nur passieren...

In der Woche darauf legte sich meine Wut nach und nach. Zunächst spielte ich mit dem Gedanken mir einen billigen Rechner aus zweiter Hand zu erstehen, verwarf diesen Gedanken jedoch relativ spontan auf der Heimfahrt im Bus eines Abends nach der Arbeit. Ich beschloss das nächste halbe Jahr auf den Luxus eines Computers zu verzichten und stattdessen meine freie Zeit am Strand, mit Sport oder meiner Gitarre zu verbringen. Schließlich bin ich nicht am anderen Ende der Welt um die ganze Zeit vor einem Rechner zu sitzen. Ob ich dies durchhalten werde wird sich zeigen...

Eine Woche später hatte ich mich dann soweit von dem Schock erholt, dass ich erneut beschloss, Abends fort zu gehen. Mein Zimmer hatte ich ordentlich verriegelt, wohl wissentlich dass es darin sowieso nichts mehr von Wert zu finden gab. Ich begab mich mit dem Bus zu einem Nachbarort in welchem ich mit einer Freundin verabredet war. Wir tanzten und haben viel geredet als die Party wie üblich auf Grund anhaltender Schlägereien von der Polizei beendet wurde. Als ich dann in den Bus zurück nach Boquilla steigen wollte, wurde ich dann erneut beklaut. Irgend so ein Typ stellte sich in der Bustür quer und wollte niemanden einsteigen lassen. Daraufhin bildete sich vor der Tür eine Menschentraube in der auch ich mich befand und in diesem Moment angelte sich ein gemeiner Langfinger meine Brieftasche mit meiner Kolumbianischen ID-Card aus meiner Hosentasche. Als ich das fast unmittelbar danach im Bus bemerkte war es bereits zu spät. Ich stieg wieder aus, ging zur Polizei, die nach den Schlägereien immer noch vor Ort war, welche sich jedoch so gar nicht dazu genötigt fühlte irgendetwas ob des Diebstahls zu unternehmen. In diesem Moment war ich wirklich wütend und seitdem muss ich leider sagen, hat sich mein Bild von den Leuten in Cartagena deutlich zum negativen verändert. Wahrscheinlich brauch ich momentan eine Weile um nicht mehr in jedem Typen auf der Straße einen Dieb zu sehen, aber zur Zeit bin ich äußerst misstrauisch gegenüber jedem.

So schön Cartagena auch ist, der extreme Tourismus hat dazu geführt, dass ein großer Teil der Leute hier sich nicht mehr für die Menschen interessieren die Cartagena besuchen, sondern in ihnen allein das Geld sehen, welches sie ihnen mit zum Teil den dreistesten Mitteln aus der Tasche zu ziehen versuchen (mein Eindruck). Komm ich irgendwo hin, kommen mir sofort drei- bis fünfjährige Kinder entgegengestolpert und versuchen Geld zu erbetteln. Die Kids können gerade mal laufen aber wissen schon von wem was zu holen ist. Nun... in meinem Fall irren sie sich dabei. Aber man fragt sich doch, von wem lernen diese Kinder das?

Nun hab ich nicht vor hier ganz und gar zu verallgemeinern, aber die Probleme in dieser Gesellschaft werden mir nun doch auf eine unangenehme Art und Weise immer bewusster. Es ist einefach zu sagen, dass Diebstahl in einer von Armut geprägten Gesellschaft alltäglich ist, solang man nicht selbst das Opfer eines solchen wird. Aber gut, die Situation ist wie sie ist, ich hab mir Kolumbien ausgesucht, wusste das es solche Sachen hier gibt und denke nicht im Traum daran, deswegen meinen Freiwilligendienst abzubrechen. Und so kann ich einmal mehr sagen: „Wieder dazugelernt!“ Man kann es sich einfach nicht leisten unvorsichtig zu werden, denn das könnte ganz schnell unschöne Folgen haben. Ich schreibe dies hier nicht um potentiellen anderen Freiwilligen Angst zu machen und eventuell vom Gedanken abzubringen nach Kolumbien zu gehen. Vielmehr hoffe ich, dass jener oder jene ebenfall aus meinen Erlebnissen lernen kann und einfach vorsichtig ist. Kolumbien ist trotz allem ein großartiges Land, ein Land mit vielen Problemen, ja. Aber auch ein Land voller Schönheit, Abenteuer, Herausforderungen und Leidenschaft.

Aber genug davon, schließlich bin ich unversehrt und mir gehts soweit gut.

Irgendwie ganz forh mal für ein paar Tage aus Cartagena rauszukommen, bin ich dann am zwölften Januar mit dem Bus nach Bogotá aufgebrochen, wo wir Freiwilligen vom ICYE unser Mitt-Jahres-Camp haben sollten. Nach erneuten 24 Stunden im Bus kehrte ich zu der Gastfamilie zurück, in der ich schon den ersten Monat in Bogotá verbracht hatte und wurde erneut sehr herzlich aufgenommen. Die folgenden fünf Tage Camp in einer Finca in Chinauta, einem kleinen Ort zwei Stunden von Bogotá entfernt, taten mir sehr gut. Es war für jeden von uns sehr wichtig sich über die Ereignisse und Erfahrungen der letzten Monate auszutauschen und gemeinsam ein wenig abzuschalten. So konnte jeder sehen, dass er oder sie nicht der oder die einzige mit schwierigen Phasen und Problemen ist, sondern dass wir alle zuweilen durch ein Tal wandern müssen bevor es dann wieder Bergauf geht. Wir verbrachten viel Zeit mit Gesprächen und im Pool und genossen die paar Tage.

Zurück vom Camp erreichte mich dann gleich wieder eine Hiobsbotschaft. Bei Christian, einem Freund von mir aus Berlin, der mich eigentlich am 20. Januar besuchen kommen wollte, wurde zwei Tage vor dem Flug ein äußerst ungewöhnlicher Beinbruch diagnostiziert, mit welchem er natürlich nicht vier Wochen Abenteuer-Urlaub in Kolumbien machen kann. Den geplanten gemeinsamen Urlaub, ich hatte mir zwei Wochen frei genommen, werd ich aus diesem Grund nun verkürzen und bereits eine Woche eher wieder Arbeiten gehen. Momentan befinde ich mich in Tibasosa/Boyaca bei Charlotte und Luisa, zwei weiteren Freiwilligen aus Deutschland und bemühe mich doch recht erfolgreich das Beste aus der Situation zu machen.

Boyaca ist wunderschön, die Landschaft ähnelt in vielen Punkten der Andalusiens und hat ein mediterranes Flair, wenn auch auf 2800 Meter höhe. Die Tage sind heiß und trocken und die Nächte frisch. Ein Abend waren wir in Tunja, der Hauptstadt des Departements Boyaca und wurden von einem Bekannten einer Freundin zur Übernachtung in die Finca seiner Familie eingeladen. Als ich das Gehöft und die Umgebung am nächsten Morgen bei Licht sah verschlug es mir fast die Sprache vor Bezauberung. Grüne Hügel und Täler soweit das Auge reicht, Zypressen- und Pinienwälder, kleine weiße Häuser und eine Luft so underbar frisch und klar. Ich hab mich sofort in diese Landschaft verliebt und tendiere bei der berühmten Berge-Meer-Frage momentan stark Richtung Berge. Gestern Abend sind wir dann nach Tibasosa gefahren und waren heute auf einen Berg wandern von dem aus man eine herrliche Aussicht auf das Plateau und die umliegenden Berge hatte. Naja, und da meine beiden Gastgeberinnen morgen früh Arbeiten müssen und dementsprächend zeitig zu Bett gingen, wollte ich die Gelegeheit beim Schopfe greifen und mal wieder einen Bericht schreiben (was in Zukunft mangels Computer vielleicht eher schwierig werden könnte). Bilder zu diesem Eintrag wird es später geben, da die Internetverbinung hier zu langsam zum hochladen ist.

Ich hoffe euch geht es allen gut und dass ich euch mit diesem doch etwas anderen Beitrag ein einigermaßen treffendes Bild der Ereignisse der vergangenen eineinhalb Monate vermitteln konnte.

Lasst es euch gut gehen!

Besos!